Ein Beitrag von Stadtklimakoordinator Oliver Schrot, MSc
Kontakt: oliver.schrot@mag.linz.at
Im November 2019 hat die Stadt Linz ihre erste Klimastrategie beschlossen. In der dazugehörigen Handlungsübersicht wurden fünf Kernbereiche identifiziert. Im Kernbereich Verkehr / Mobilität sticht besonders dieses wichtige Zielsetzung hervor (vgl. Handlungsübersicht zur Linzer Klimastrategie | Stadt Linz):
„Als übergeordnetes Ziel verfolgt der Stadtsenat die Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen. Unter Berücksichtigung der mit dem Land Oberösterreich im „Mobilitätsleitbild für die Region Linz“ verankerten Vereinbarungen zur Veränderung des „modal splits“ zu Gunsten der sanften Mobilität wird angestrebt, den Anteil des motorisierten Individualverkehrs für die Zeitspanne 2030/2040 auf 47 Prozent aller in der Region zurückgelegten Wege zu reduzieren (aktuell 57 Prozent). Dementsprechend soll der Anteil sanfter Mobilitätsformen (öffentlicher Verkehr, Radverkehr, Zu-Fuß-Gehen) auf 53 Prozent gesteigert werden.“
Ein neuer Impuls fürs zu Fuß gehen in Linz
Das Projektvorhaben „Linz zu Fuß – Schritt für Schritt zum Klimaschutz“ ist eine konkrete Maßnahme zur Erhöhung des Anteils sanfter Mobilitätsformen in Linz mit vielen Co-Benefits. Es wird daher aus den Mitteln des städtischen Klimafonds gefördert. Auch der Klimabeirat der Stadt Linz hat festgestellt, dass die geplanten Arbeitspakete des Projekts geeignet sind, ein Mehr an zu Fuß gehen in der Stadt Linz zu verankern. Vor allem der attraktive und identitätsstiftende Mix an Bewusstseinsbildungsmaßnahmen lässt den Klimabeirat hoffen, dass die Linzer Bevölkerung durch das Projekt eine neue Wahrnehmung ihrer Stadt gewinnen wird. Denn beim zu Fuß gehen kann man viel über sich, seine Mitmenschen und den gemeinsamen Wohnort lernen.
Stellenwert des zu Fuß Gehens im Arbeitsalltag der Klimastabsstelle
Zu Fuß gehen ist die klimafreundlichste und natürlichste Art der Fortbewegung. Es ist ressourcenschonend, platzsparend, lärmarm, kostenlos, inklusiv und für alle sozialen Gruppen möglich. Außerdem hält es gesund und fördert die eigenständige Mobilität von Jung und Alt.
Auch in meiner täglichen Arbeit als Stadtklimakoordinator und Leiter der Klimastabsstelle im Büro Stadtregierung Linz hat das zu Fuß gehen für mich einen besonders hohen Stellenwert. Die meisten Außendienste im Stadtgebiet mache ich zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Meine klassischen Fußwege sind der Weg vom Alten Rathaus am Hauptplatz rüber ins Neue Rathaus oder der Weg zur Tabakfabrik donauabwärts. Auch in den Botanischen Garten gehe ich selbstverständlich zu Fuß. Am liebsten durch den Bauernbergpark. Zu Fuß gehen funktioniert zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung.
Warum ich das tue, hat drei Gründe. Zum einen, weil zu Fuß gehen klimaneutral ist. Ich brauche weder Benzin, Diesel noch Strom, um von A nach B zu kommen. Zum anderen ist das zu Fuß gehen für mich ein willkommener Ausgleich von der sitzenden Bürotätigkeit und der Bildschirmarbeit. Beim zu Fuß gehen schwenken die Augen natürlicherweise in die Ferne. Das ist wohltuend. Drittens gelingt es mir durch das zu Fuß gehen, das „Linz da draußen“ besser in Erinnerung zu rufen. Denn nur von der mentalen Repräsentation vom „Linz im eigenen Kopf“ auszugehen, wäre als Klimakoordinator bedenklich. In anderen Worten, das zu Fuß gehen durch Linz ermöglicht mir regelmäßige Lokalaugenscheine und ruft mir meine Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Erinnerung. Also ganz nach dem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe:
Persönliche Verbindung zum zu Fuß gehen
Meine ganz persönliche Verbindung mit dem zu Fuß gehen hat mit einer unglücklichen Sportverletzung und dem Filmregisseur bzw. Autor Werner Herzog zu tun. Zwei Kreuzband- und Meniskusoperationen haben mir schon früh aufgezeigt, dass ein gesunder Bewegungsapparat nichts Selbstverständliches ist. Seitdem schätze ich es viel mehr, mich frei bewegen und Alltagswege zu Fuß erledigen zu können.
Von Werner Herzog wiederum habe ich als Student das Buch „Vom Gehen im Eis“ gelesen. Es hat damals einen tiefen Eindruck auf mich hinterlassen. Im November 1974 bricht Herzog zu einer Wanderung von München nach Paris auf. Sollte er die französische Hauptstadt erreichen, das ist seine feste Überzeugung, würde die von ihm verehrte Filmhistorikerin und dem Sterben nahe Lotte Eisner am Leben bleiben. Das Gehen wird im Buch zur Existenzform stilisiert. Herzog taucht in bisher unentdeckte innere Landschaften ein. Er teilt uns seine Eindrücke und Gedanken mit:
„Auf einmal Schneetreiben, Blitz, Donner und Sturm, alles auf einmal, direkt über mich weg, so schnell, dass ich keine Zuflucht mehr fand und versuchte, so halb im Windschatten an eine Hausmauer gelehnt das Zeug über mich weggehen zu lassen. Gleich rechts neben mir am Eck des Hauses steckte ein fanatischer Wolfshund seinen Kopf durch Gartengitter und fletschte mich an. In Minuten lag eine handhohe Schicht Wasser und Schnee auf der Straße und ein Lkw spritze mich mit allem voll, was da lag. Kurz darauf für Sekunden kam die Sonne heraus, dann stürmischer Regen. Ich hangelte mich von Deckung zu Deckung vorwärts. In Savières in der Dorfschule überlegte ich, nach Paris zu fahren, welchen Sinn hat das. Aber so weit gekommen zu Fuß und dann fahren? Lieber die Sinnlosigkeit, wenn es eine ist, bis zur Neige gekostet.“
Nur durchs Gehen kommt Werner Herzog sich selbst und der Welt näher. Durchs Gehen bilden sich Standpunkte. Es stiftet Sinn. Werte können sich festigen. Ähnlich erhabene Momente wünsche ich dem Projektteam und lade alle Linzerinnen und Linzer dazu ein, das Projekt „Linz zu Fuß – Schritt für Schritt zum Klimaschutz“ in den kommenden Jahren aktiv mitzugestalten und weiterzutragen.